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Geschichte des Gerichtsgebäudes

 

Neue Waag, Haidplatz RegensburgNeue Waag

Die Geschichte des am Haidplatz gelegenen Gerichtsgebäudes – der Neuen Waag – spiegelt die geschichtliche Entwicklung Regensburgs wider.

Die Nutzung des Gebäudes lässt sich in vier Abschnitte gliedern: Von ca. 1300 bis 1441 gehörte es wohlhabenden Kaufleuten, von 1441 bis 1810 der Stadt Regensburg, von 1810 bis 1875 dem Staat, von 1875 bis 1940 der Stadt und seit 1940 dem Staat.

Um 1300 erbaut als Stadtburg eines Patriziergeschlechts, das Fernhandel betrieb, repräsentiert das Gebäude den Aufstieg der Stadt Regensburg zu einem Handelszentrum ersten Ranges in Europa. Es repräsentiert ein über Deutschland hinaus geachtetes Bürgertum, waren es doch Regensburger Kaufleute, die den Vorsitz der deutschen Kaufleute in Venedig, der maßgebenden Handelsmetropole des damaligen Europas, stellten. Typisch für das Patrizierhaus sind der frühgotische Turm und eine Hauskapelle, die Christopherus-Kapelle. Die einstige, im Turm gelegene Hauskapelle ist derzeit an ein Musikgeschäft vermietet. Lediglich der untere Teil der Geschlechtertürme wurde von den Kaufleuten genutzt. Der obere stand leer, so dass die Höhe des Turms dazu diente, Wohlstand und Ansehen seiner Eigentümer zur Schau zu stellen. Erbauer des Hauses ist wohl der Patrizier Gumprecht, später hat es den Hofmeisters und dann der Patrizierfamilie Altmann gehört.

Der Reichtum und das Ansehen der Bürger führten auch zu Reichtum und Ansehen der Stadt Regensburg und dies wiederum setzte die Stadt in die Lage, dieses Gebäude 1441 für die Stadt zu kaufen und hierher die Stadtwaage zu verlegen. Seitdem ist der Hausname des Gebäudes die „Neue Waag“. Die Straße zwischen dem Gericht und dem Alten Rathaus heißt Neue-Waag-Gasse. Die frühere Stadtwaage in der St.-Albans-Gasse hatte sich als zu abgelegen erwiesen. Die Stadtwaage war im Mittelalter ein Lagerhaus für zollpflichtige Waren. Auswärtige Kaufleute mussten ihre zollpflichtigen Waren zunächst zur Stadtwaage bringen, wo sie dann bis zum Verkauf gelagert wurden. Hier in der Stadtwaage hing nicht nur die offizielle Waage, sondern auch die damals geltenden Längenmaße.

Das Gebäude, das also damals der Stadt gehörte, wurde gleichzeitig als Trinkstube der Ratsherren genutzt und deshalb auch als Herrentrinkstube bezeichnet. Trinkstuben gehörten in mittelalterlichen Städten zu den wichtigen Plätzen der Geselligkeit. Hier veranstaltete der Rat der Stadt Bankette und Tänze, auch Hochzeiten wurden in diesem Haus gefeiert. Gleichzeitig beherbergte das Haus vornehme Gäste und Gesandtschaften.

Die Renaissance war die Blütezeit der Fassadenmalerei. Rat der Stadt, Bischof und die Patrizier schmückten ihre Außenfassaden mit Bildern aus der antiken Mythologie oder dem biblischen Geschehen. Im 16. und 17. Jahrhundert bot die Neue Waag von außen ein prachtvolles Bild, ein Teil der Außenfassaden (möglicher Weise auch der Innenhof) waren nämlich 1585 bis 1587 von Hans Melchior Bocksberger mit großen Wandgemälden verziert worden. Während dieser Arbeiten verstarb der Maler. Ihm zu Ehren gibt es in Regensburg noch heute eine Bocksbergerstraße. Von ihm stammt auch die überlebensgroße Darstellung von David und Goliath an der Nordfassade des Goliathhauses in der Goliathstraße in Regensburg. Im Sitzungssaal 1 hängen zwei (vermutlich) Originalgemälde des Malers.

Zu den historisch bedeutendsten Ereignissen in der Geschichte des Hauses zählt das Regensburger Religionsgespräch von 1541, als sich hier, von Kaiser Karl V. (1520 – 1558) ausgewählt, die katholischen Theologen unter Führung des Dr. Johannes Eck (Luthers großem Gegenspieler) mit den protestantischen Theologen unter Führung von Philipp Melanchthon trafen, um die Konfessionen zu einen. Dieses Religionsgespräch zwischen Katholiken und Protestanten blieb trotz mehrerer Ansätze leider erfolglos. Ein Fresko im Innenhof des Gerichts, das aber aus dem Jahr 1960 stammt, erinnert daran.

Die Säulen und Arkaden im stimmungsvollen Innenhof lassen an die Toskana denken und zeigen die Berechtigung des Satzes, dass Regensburg die nördlichste Stadt Italiens sei. Über einem Fenstersturz im Innenhof findet sich die Jahreszahl 1573, die auf seinen damaligen Umbau im Stil der Renaissance hinweist.

Zu Zeiten des Immerwährenden Reichstags, der von 1663 bis 1803 im gegenüber liegenden Reichssaal des Rathauses tagte, war in der Neuen Waag die sog. Reichsdiktaturstube. In dieser Schreibstube wurden die Protokolle der Reichstagssitzungen geschrieben. Hier standen Tische und Bänke für die Cancellisten, die Schreiber. Von einem Pult aus, einem Katheder, diktierte der sog. Reichsdiktator die Protokolle der Reichstagssitzungen. Reichsdiktator war ein kurmainzischer Secretarius, also ein Sekretär der Gesandtschaft des Kurfürsten von Mainz auf dem Immerwährenden Reichstag zu Regensburg. Die Tische und Stühle der Schreiber in der Reichsdiktaturstube waren gemäß der Rangordnung der Reichsstände aufgestellt. In nächster Nähe des Diktierpults des Reichsdiktators befanden sich die Schreiber der Kurfürsten, etwas entfernter jene der geistlichen und weltlichen Fürsten, dahinter schließlich die Schreiber der Grafen und Reichsstädte.

1783 wurde in der Neuen Waag die Reichsstädtische Bibliothek eingerichtet. Von 1783 bis 1875 wurde der Bibliothekssaal als Bibliothek genutzt, zunächst als Reichsstädtische Bibliothek, dann als Königliche Kreisbibliothek.

Von 1711 bis 1810 hatte u.a. die Pfandleihe, eine der ältesten in Deutschland, im Gebäude ihren Sitz.

Von 1810 bis 1875 war der Staat und von 1875 bis 1940 die Stadt Eigentümer des Gebäudes.

1940 hat der bayerische Staat die Neue Waag von der Stadt Regensburg erworben. 1944 wurden Teile des Gebäudes durch Bomben zerstört. Nach der 1953 begonnenen Instandsetzung diente die Neue Waag im Weg der Vermietung städtischen Dienststellen, insbesondere der städtischen Polizei, die es damals noch gab. Nach Abschluss der Wiederaufbau- und Umbauarbeiten konnte das zum 31.12.1946 gegründete Verwaltungsgericht Regensburg 1960 die Neue Waag beziehen.

1999 wurde der Bibliothekssaal nach einer Sanierung als der nunmehr größte Sitzungssaal des Gerichts in Betrieb genommen.

Quelle: Karl Bauer, Regensburg. Kunst-, Kultur- und Alltagsgeschichte, hg. von Peter Bauer, Regenstauf 2014.

 

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